Mittlere
und Höhere Schulen
"Freier Zugang zu Bildung - ausgenommen Gehörlose!?"
Dieser Satz zeigt
plakativ die derzeitige Situation in Österreich. Integration
von hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern heißt vor
allem Eingliederung in Klassen der Volks- und Hauptschule.
Damit ist aber noch nicht gewährleistet, daß der Unterricht
auch nach dem Volks- oder Hauptschullehrplan erfolgt; häufig
werden gehörlose Kinder in Integrationsklassen nach dem
Sonderschullehrplan unterrichtet. Wer dann etwa in ein Gymnasium
oder in eine weiterführende mittlere oder höhere Schule
will, muß schauen, wie sie/er dort zurechtkommt (dabei
ist schon viel gewonnen, wenn man wenigstens den Zugang dorthin
schafft).
Auch in
Integrationsklassen wird in Lautsprache
unterrichtet; Unterstützung in Gebärdensprache gibt es
normalerweise nicht. Die Unterrichtsgestaltung und alle
Unterrichtsbehelfe sind auf Hörende ausgerichtet (Lehrfilme
haben zum Beispiel keine Untertitel). Nur ein Bruchteil
dessen, was sich im Klassenzimmer abspielt, kann von einem
gehörlosen Kind wahrgenommen werden. Selbst wenn man
auf sie "Rücksicht nimmt", heißt das noch lange
nicht, daß auf die speziellen Bedürfnisse der schwerhörenden
oder gehörlosen Schüler/innen tatsächlich eingegangen wird.
Meist gelingt es nur
durch intensive Bemühungen der Eltern und entsprechendes
Entgegenkommen einzelner Lehrkräfte, daß hochgradig
Schwerhörende oder Gehörlose in eine mittlere oder höhere
Schule aufgenommen werden. Damit ist aber noch nichts getan! Viel
Fleiß und großer persönlicher Einsatz sind notwendig, um den
Anforderungen im Unterricht zu entsprechen. Der
Schulbesuch allein reicht nämlich im seltensten Fall. Die
eigentliche Arbeit für die gehörlosen Schüler/innen beginnt am
Nachmittag in ihrer "Freizeit": dann heißt
es, mit Unterstützung von Eltern, Geschwistern oder einer
bezahlten Nachhilfe den Stoff vom Vormittag so aufzubereiten,
daß er auch verstanden und damit gelernt werden kann. Trotz all
dieser Mühen kann das Unterrichtsangebot nicht vollständig
ausgenützt werden - meist reicht es "nur" für einen
positiven Schulerfolg. "Chancengleichheit" kann
damit jedenfalls nicht gemeint sein!
Dennoch gelingt es
mmer wieder einmal gehörlosen oder hochgradig schwerhörenden
Schüler/innen - auch hier in Österreich - über die Matura
zu einer qualifizierten Arbeit oder zu einem Hochschulstudium
zu kommen. Diese Personen werden damit zu Vorbildern
für viele andere, die dadurch sehen: es geht, wenn man nur will,
sich dafür einsetzt und nicht unterkriegen läßt.
Dennoch
müssen sich die Bedingungen ändern, unter denen Gehörlose zu
einer höheren Schulausbildung kommen können. Chancengleichheit
heißt für uns, gleiche Chancen bei etwa gleichem Einsatz - und
dieses Bild stimmt bei den hier angesprochenen Personengruppen
und in diesem Zusammenhang einfach nicht!
Gefordert
ist aber auch die Mitarbeit der Betroffenen: es braucht viel Mut,
sich und anderen einzugestehen, wo die eigenen
Probleme und Schwierigkeiten liegen. Aber das ist
notwendig, um aufzuzeigen, was gebraucht wird. Mit
Auswendiglernen und Reproduzieren ist niemandem geholfen! Wer
studieren will, muß vor allem schreiben und lesen und
geschriebene Inhalte verstehen können - an der
Schriftsprache geht kein Weg vorbei! Das Wissen über
die Zusammenhänge ist allerdings leichter in Gebärdensprache
zu vermitteln, die das zentrale Kommunikationsmedium sein
muß - und damit sind wir wieder bei den gebärdensprachkundigen
Lehrkräften, die derzeit noch fehlen ...
Warum also
nicht endlich hier anfangen???
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