Frühförderung
Was man unter Frühförderung von gehörlosen
oder schwer hörgeschädigten Kindern versteht, ist nicht einheitlich; es gibt verschiedene
Sichtweisen und Ansätze, vor allem, was den Einsatz der Gebärdensprache im
Rahmen der Frühförderung anlangt.
Trotz modernster diagnostischer Möglichkeiten
ist das tatsächliche Ausmaß einer Hörschädigung beim Baby oder Kleinkind nicht so
leicht festzustellen. Vor allem beim ersten Kind entdecken Eltern oft erst relativ spät,
daß ihr Kind auf Geräusche nicht reagiert. Auch wenn sie insgeheim schon lange vermuten,
daß ihr Kind nicht gut hört, schieben sie den Arztbesuch hinaus. Sie haben Angst davor,
daß sich dort ihr Verdacht bestätigt. Dadurch geht Zeit verloren, die für eine optimale
Förderung des hörgeschädigten Kindes unter Umständen nicht mehr wettgemacht werden
kann.
Gerade für ein hörgeschädigtes Kind ist es
wichtig, daß sich seine Angehörigen so früh wie möglich mit der speziellen Situation
vertraut machen. Das ist für die Familie oft ein schmerzlicher Prozeß. Dennoch sollten Eltern
alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die kommunikative Isolation des hörgeschädigten
Kindes zu verhindern. Dazu gehört einerseits das Beachten bestimmter Verhaltensregeln
beim Sprechen mit ihrem Kind, die Versorgung des Kindes mit guten Hörgeräten,
aber unter Umständen auch die Einbeziehung der Gebärdensprache. Der
Kontakt zu anderen gehörlosen Personen kann hörenden Eltern in einer solchen Situation
helfen.
Eltern eines hochgradig hörgeschädigten oder
gehörlosen Kindes müssen sich darüber klar werden, daß der wichtigste Sinneskanal, der
ihrem Kind für die Kommunikation zur Verfügung steht, das Auge ist.
Eine aktive Kommunikation mit ihrem Kind wird daher vor allem visuell (über das Auge)
erfolgreich sein.
Für Nicht-Betroffene scheint ein solcher
Schluß "ganz logisch" zu sein - in der konkreten Situation sehen sich hörende
Eltern eines hochgradig hörgeschädigten Kindes oft in einer fast ausweglosen Lage. Auf
der Suche nach der besten Entscheidung für ihr Kind stoßen sie auf verschiedene,
teilweise widersprüchliche Meinungen und Richtungen - zum ersten Mal
erfahren sie, daß es nicht nur eine Art von Sprache gibt, sondern eine
"richtige" und eine "falsche". Was nun für ihr Kind richtig und was
falsch ist, hängt auch wieder davon ab, wer die Empfehlung gibt.
In der einzigen Ambulanz Österreichs für
gehörlose, hörgeschädigte und ertaubte Personen im Krankenhaus der Barmherzigen
Brüder in Linz finden betroffene Eltern kompetente Beratung und Hilfe bei
Ihrer Entscheidung, den besten Weg für die Zukunft ihres hörgeschädigten Kindes zu
finden. Informieren Sie sich dort auch über die aktuelle Diskussion, die derzeit auf
wissenschaftlicher Ebene geführt wird.
Kontaktieren Sie dann erst andere betroffene
Eltern. Und beachten Sie: nicht alle Erfahrungen und Entscheidungen, die für eine andere
Familie richtig waren, müssen auch für Ihre Familie und Ihr Kind richtig sein.
Sehen Sie nicht nur Ihre
Möglichkeiten, sehen Sie auch Ihre Grenzen! Und bedenken Sie dabei, daß zum
Beispiel in den USA die Gebärdensprache die meistgelernte erste Fremdsprache ist ... Dort
gibt es auch eine eigene Universität für
Gehörlose. Warum also sollte sich die Situation nicht auch in Europa
ändern?
Noch einen wichtigen Grundsatz sollten hörende
Eltern im Interesse Ihres hörgeschädigten Kindes beherzigen, vor allem dann,
wenn das Kind hörende Geschwister hat: Behandeln Sie Ihr hörgeschädigtes Kind
grundsätzlich nicht anders wie ein hörendes Kind. Natürlich hat ein schwerhöriges oder
gehörloses Kind besondere Bedürfnisse, auf die eingegangen werden soll und muß - aber
bemuttern Sie es nicht zu sehr und ermöglichen Sie ihm auch regelmäßigen Kontakt zu
(hörenden und gehörlosen) Kindern und Erwachsenen außerhalb Ihrer Familie.
Und vergessen Sie bei all Ihrer Sorge um das
hörgeschädigte Kind nicht, daß auch Ihre hörenden Kinder in bestimmten Situationen
"besondere Bedürfnisse" haben können ...
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