Gebärdensprache/n
Die Gebärdensprachen der Gehörlosen sind natürlich entstandene
Sprachen, die in den Gehörlosengemeinschaften der ganzen Welt verwendet werden. Daher
verwenden wir hier auch den Begriff "Gebärdensprachgemeinschaft".
Die Gehörlosen verstanden ihre Gebärden nicht von Anfang an als
eine wirkliche Sprache. Die hörende Gesellschaft hatte ihnen immer wieder eingeredet,
daß nur eine Lautsprache eine richtige Sprache wäre. Vor allem die Bildhaftigkeit
(= Ikonizität) der Gebärdensprache wird oft als nichtsprachlich betrachtet. Die
ikonischen Eigenschaften der Gebärdensprache hängen hauptsächlich mit der Art zusammen,
wie Gebärden gebildet werden.
Der größte Unterschied zwischen Lautsprachen und
Gebärdensprachen ist folgender:
- Um Lautsprachen zu verstehen, muß man zuhören
(akustischer Kanal)
- Bei Gebärdensprachen muß man zuschauen (visueller
Kanal)
Während in Lautsprachen Töne (Laute) erzeugt werden, werden
Gebärden mit Hilfe der Hände, des Gesichts sowie der Kopf- und Körperhaltung gebildet.
Eine wichtige Rolle dabei spielen Mimik, Mundgestik und Mundbild. Diese einzelnen
Bausteine werden - wie in jeder anderen Sprache auch - nach
bestimmten grammatischen Regeln miteinander verknüpft.
Hörende, die die Gebärdensprache lernen wollen, haben oft
Schwierigkeiten, Mimik und Gestik beim Gebärden wiederzugeben. Das liegt unter anderem
wohl daran, daß Gesichtsausdruck und Mundgestik in der Lautsprache der hörenden Kultur
nur eine geringe Bedeutung haben.
Der Austausch von Gebärden findet im Raum statt.
Gebärden entstehen, indem sich die Hände durch den Gebärdenraum bewegen. Auch
Beziehungen zwischen den Gebärden werden oft mit Bewegungen im Raum dargestellt.
In den letzten Jahrzehnten beschäftigt sich die Sprachwissenschaft
(Linguistik) verstärkt mit der Erforschung der Gebärdensprache.
Die Form der Gebärdensprache ist den Möglichkeiten
gehörloser Personen perfekt angepaßt: Sprechen und Verstehen verlagern sich von
Mund und Ohren zu den Händen und Augen der Sprecher/innen. Gesicht, Kopf- und
Körperhaltung, sowie Mimik, Mundgestik und Mundbild spielen in den Gebärdensprachen eine
wichtige Rolle.
Wie Lautsprachen auch gibt es in den Gebärdensprachen verschiedene Dialekte
und regionale Varianten. Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS)
kennt zum Beispiel die Kärntner Gebärdensprache, die Steirische Gebärdensprache, die
Oberösterreichische Gebärdensprache, und so weiter. Die Übereinstimmung in all
diesen Varianten ist jedoch so hoch, daß sich Gehörlose verschiedener Regionen und
Bundesländer gut miteinander verständigen können.
Die ÖGS im Sinne einer überregionalen Einheitssprache gibt
es noch nicht. Eine solche Entwicklung ist durch die Verbreitung einer Variante
über die visuellen Medien und durch den Einsatz überregionaler Gebärdensprachkurse zu
erwarten. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Varianten betreffen
hauptsächlich den Wortschatz und weniger die Grammatik.
Ein Problem, das vor allem für seine Tauglichkeit im Alltag noch
immer nicht gelöst ist, ist die schriftliche Darstellung von Gebärden.
Es gibt zwar verschiedene im wissenschaftlichen Bereich entwickelte Schriftsysteme,
im Alltag hat sich bisher keines von ihnen wirklich durchsetzen können.
|