Kommunikation
unter Gehörlosen
(MH, 05/98)
Da Gehörlosen die
Kommunikation mit Hörenden schwerfällt, ist der Umgang mit
anderen Gehörlosen umso wichtiger. In der
Gehörlosengemeinschaft gibt es keine Probleme, wenn man sich
unterhalten möchte, weil alle die Gebärdensprache können. Das
ist sehr angenehm, weil man sich nicht auf die Lautsprache oder
auf das Ablesen der Lippen konzentrieren muß.
Im Privatleben
umfaßt die Gehörlosengemeinschaft die gehörlosen
Familienmitglieder und Freunde. In der Öffentlichkeit
gehören zur Gehörlosengemeinschaft alle Gehörlosenvereine und
Gehörlosenverbände. Die Gehörlosenvereine sind der Mittelpunkt
des sozialen Lebens. Hier hat man die Möglichkeit, andere
Gehörlose zu treffen und Freundschaften zu schließen. Früher
waren es oft Sportvereine, aber heute bemühen sich die
Gehörlosenvereine vor allem, eine Gesprächskultur
aufrechtzuerhalten. Die Grundlage dafür ist die
Gebärdensprache. "Erst die Gebärdensprache macht
aus einer Anzahl gehörloser Menschen eine soziale
Gemeinschaft" (Ebbinghaus & Heßmann 1989,27). Wichtig ist aber auch, daß man die
gleiche Kultur teilt und die gleichen Dinge für wichtig hält.
Ob man zur
Gehörlosengemeinschaft gehört, hängt nicht davon ab, wie
schlecht man hört. Wichtig ist die Frage: Wo will ich
hingehören?
Es handelt sich um
eine mehr oder weniger bewußte Entscheidung, welcher Identität
(welchem Selbstverständnis) man sich mehr zugehörig fühlt.
Manche Schwerhörige möchten zum Beispiel lieber zur
Gesellschaft der Hörenden gehören. Andere, die noch etwas
hören oder erst später taub geworden sind, fühlen sich
trotzdem als Gehörlose. Oft fühlen sich auch hörende Kinder
mit gehörlosen Eltern als Gehörlose. Wichtig ist also, ob
jemand zur Gehörlosengemeinschaft gehören möchte. Gehörlose
mit hörenden Eltern kommen meist erst über die
Gehörlosenschule zur Gehörlosengemeinschaft (durch den Kontakt
mit gehörlosen Mitschülerinnen oder Mitschülern mit
gehörlosen Eltern).
Früher war
das eine Entscheidung 'entweder-oder', also entweder für die
Hörenden oder für die Gehörlosen. Heute denken viele, daß es
besser ist, abwechselnd in beiden Welten zu leben.
Im Gegensatz zu
anderen Behinderten sind Gehörlose sehr gut organisiert. Es
werden auch Feiern, Ausflüge und Reisen veranstaltet. Die
Freundschaft ist dabei international. Bei Tagungen,
Weltkongressen und Gehörlosenolympiaden werden Kontakte mit
Gehörlosen in vielen anderen Ländern geschlossen. In
Gebärdensprache können sie sich ohne große Probleme
miteinander unterhalten.
Für
Gehörlose sind Gehörlosenvereine wie eine Heimat:
"Gehörlosenvereinigungen sind mehr als nur Freizeitclubs,
Interessensverbände oder Schicksalsgemeinschaften: Gestützt auf
die Gebärdensprache finden Menschen, die zwar nicht hören
können, sonst jedoch im Vollbesitz ihrer körperlichen und
geistigen Kräfte sind, hier eine soziale Heimat" (Ebbinghaus &
Heßmann 1989,9).
Literaturangabe:
Ebbinghaus,
H. & Heßmann, J.: Gehörlose.
Gebärdensprache. Dolmetschen: Chancen der Integration einer
sprachlichen Minderheit. (Internationale Arbeiten zur
Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser, Bd. 7).
Hamburg 1989.
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