Behinderung
Für Hörende ist Hören so
selbstverständlich, daß sie sich gar nicht vorstellen können,
daß für andere Menschen das Nicht-Hören ebenso
selbstverständlich ist.
Das führt dazu, daß vor
allem Hörende gehörlose Personen häufig als
"behindert" ansehen. Dabei ist es eigentlich die Kommunikation zwischen Hörenden und
Gehörlosen, die gestört
(behindert) ist. Der Grund dafür wird selten wirklich
hinterfragt. Die Hörenden gehen einfach davon aus, daß es nur eine
Art von Sprache gibt, und das ist für sie die gesprochene
Sprache. Daß diese Sprache für Gehörlose nicht brauchbar ist,
ist Hörenden selten bewußt; das wird auch dadurch verschleiert,
daß Gehörlose von klein auf zum Sprechen trainiert werden.
Gehörlose
sehen sich und ihre Gebärdensprache als ganz "normal"
an. Sie erleben vor allem die gesprochene Sprache ihrer Umgebung
als behindernd und auch die Tatsache, daß es bei uns in
Österreich nur sehr wenige Hörende gibt, die
Gebärdensprachkenntnisse haben.
Die Situation der Schwerhörenden
ist ähnlich schwierig, wenngleich völlig anders. Vielleicht
haben es Schwerhörende noch ein wenig schwerer als Gehörlose,
weil sich ihr Anders-Sein nicht so offensichtlich zeigt wie bei
den Gehörlosen, die die Gebärdensprache benutzen.
Schwerhörende kommunizieren wie Hörende in der Lautsprache -
nur ist die Verständigung nicht immer leicht möglich. So
müssen sie bei auftretenden Problemen immer wieder entscheiden,
ob sie die Tatsache, schwerhörend zu sein, bekanntgeben oder
verschweigen. Oft ist es so, daß sie aus Angst vor möglichen
Schwierigkeiten Gesprächssituationen im Alltag aus dem Weg gehen
oder sie bewußt vermeiden. Es wäre interessant, von
schwerhörenden Menschen selbst zu erfahren, ob sie sich als
behindert bezeichnen oder nicht. Wahrscheinlich wird das auch von
Mensch zu Mensch und von Situation zu Situation anders sein, je
nachdem, wie sehr die Verständigung im Alltag erschwert ist.
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