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Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen
(MH, 05/98)


Das Leben in der Gesellschaft ist nur über den Austausch mit anderen Menschen (Kommunikation) möglich.
Hörende verwenden dazu die Lautsprache. Gehörlose verwenden fast immer die Gebärdensprache, wenn sie
unter Gehörlosen sind. Es fällt ihnen meist schwer, die Lautsprache gut zu erlernen, weil sie sich selbst nicht hören können. Für Gehörlose ist es schwierig, sich mit Hörenden zu unterhalten, deshalb gibt es auch kaum engere Kontakte zu Hörenden.

Hörende können nur selten gebärden, deshalb verwenden sie die Lautsprache. Meist bemühen sie sich, deutlich und mit einfacheren Wörtern zu sprechen, damit die Gehörlosen leichter von den Lippen ablesen können.

Wenn Gehörlose und Hörende sich verständigen wollen, wird meist nur 'das Wichtigste' mitgeteilt. Die Hörenden beschränken sich auf das, was ihnen selbst am wichtigsten ist, obwohl der 'unwichtige' Rest für das Verständnis von Bedeutung sein kann. Auch der Tonfall und die Sprachmelodie gehen dabei verloren: Hörende wissen zum Beispiel durch den Tonfall sofort, wie eine bestimmte Bemerkung gemeint ist - zum Beispiel ob eine Sprecherin etwas im Spaß sagt oder ob ein Sprecher verärgert ist. Wenn sich Hörende mit Gehörlosen unterhalten, vergessen sie meistens, diese Gefühle mit Hilfe der Mimik auszudrücken.

Schwierig ist auch der rasche Themenwechsel, wenn Hörende plötzlich von etwas ganz anderem sprechen. Die gehörlose Person ist oft noch beim alten Thema und versteht dann die Zusammenhänge nicht mehr.

Es kann bei der Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen auch leicht zu Mißverständnissen kommen: die hörende Person ist sicher, daß die gehörlose Person alles verstanden hat. Die gehörlose Person tut so, als ob sie alles verstanden hätte, auch wenn sie nicht alles verstanden hat. Wenn die hörende Person einige Gebärden kennt oder wenigstens ihre Hände und den Körper gebraucht, während sie spricht, passiert das nicht so oft. Gut wäre es, wenn mehr Hörende die Gebärdensprache lernen würden!

Wenn Gehörlose die Lautsprache verwenden, müssen sie sehr oft alles wiederholen. Die meisten wissen, das sie von Hörenden schwer verstanden werden. Sie haben sich schon daran gewöhnt. Sie haben auch gelernt, mit nur wenigen Informationen zurechtzukommen. Gehörlose halten sich normalerweise an Bekanntes. Beim Arzt oder auf Ämtern hoffen sie, daß die Hörenden schon wissen werden, was zu tun ist. Sie versuchen, ihr Problem mit wenigen Worten verständlich zu machen oder schreiben es sonst auf. Die Hörenden tun dann irgendetwas oder geben entsprechende Anweisungen. Dafür genügt wenig Kommunikation und das, was man sehen kann.

Gehörlose verstehen oft nur einige Wörter von dem, was Hörende sagen. Wissenschaftler/innen nennen das 'rekonstruierendes Verstehen'. "Ein vager Vorgang der Sinnerschließung, der seinen Ausgang von einzelnen fragmentarisch wahrgenommenen sprachlichen Elementen nimmt und auf dem Abwägen von Möglichkeiten vor dem Hintergrund des jeweiligen Kontext- und Weltwissens oder auch schlichtem Raten beruht" (Ebbinghaus & Heßmann 1989,115).

Da Hörende und Gehörlose einander meist schwer verstehen, sind Gehörlose sehr oft ausgeschlossen. Sie sind zwar da, können aber nicht am Geschehen teilnehmen. Deshalb ist es für sie schwer, ihren Platz in der hörenden Gesellschaft einzunehmen oder etwa in der Politik mitzuarbeiten.

Bei den Gehörlosenvereinen und Gehörlosenverbänden haben die Gehörlosen, die die Lautsprache am besten beherrschen, meist die wichtigsten Posten, damit sie sich mit den Hörenden verständigen können. Vor allem bei offiziellen Gelegenheiten wird die Lautsprache oft vorgezogen, weil man früher glaubte, daß die Gebärdensprache keine 'richtige' Sprache ist.

Gehörlose verwenden sonst bei der Unterhaltung mit Hörenden häufig eine Mischsprache aus Lautsprache und Gebärdensprache, die aber mehr Lautsprache enthält. Das soll es den Hörenden erleichtern, sie zu verstehen. Viele Gehörlose wollen gar nicht, daß die Hörenden die Gebärdensprache zu gut erlernen: Gebärdensprache und Gehörlosenkultur sind das einzige, was ganz den Gehörlosen gehört.


schwer, die Lautsprache gut zu erlernen:

Wird ein Kind gehörlos geboren, so hält es die Lautsprache am Anfang für ein Spiel, das es nicht verstehen kann: Menschen sehen sich an, wobei sich ihr Mund immer wieder öffnet und schließt. Später fällt es dem Kind schwer, die Lautsprache zu erlernen, weil es seine eigene Stimme nicht hören kann. Schwerhörige Kinder mit Hörgeräten oder Kinder, die erst einige Jahre nach der Geburt ihr Gehör verlieren, tun sich damit leichter.

Die Stimme gehörloser Kinder klingt für Hörende fremd. Gehörlose Kinder kennen meist weniger Wörter und lesen viel mühsamer als gleichaltrige hörende Kinder. Wenn gehörlose Kinder schreiben, verwenden sie kürzere und einfachere Sätze, die sie meist ohne Verbindungswörter aneinanderreihen.

Die meisten gehörlosen Kinder haben hörende Eltern, die oft nicht genau wissen, wie sie ihrem Kind helfen können, zu lernen und sich in der Welt der Hörenden zurechtzufinden. In der Gehörlosenschule lernen die Kinder oft nur die Lautsprache. Hörende und zum Teil auch schwerhörige Kinder mit Hörgeräten können dann andere Dinge lernen, indem sie in der Schule zuhören. Gehörlose Kinder können das nicht. Sie brauchen daher eigene Schulen oder Lehrer/innen, die auch in der Gebärdensprache unterrichten können. Zum Lernen brauchen gehörlose Kinder die Gebärdensprache; auch schwerhörigen Kindern kann die Gebärdensprache das Lernen manchmal erleichtern.


Literaturangabe:

Ebbinghaus, H. & Heßmann, J.: Gehörlose. Gebärdensprache. Dolmetschen: Chancen der Integration einer sprachlichen Minderheit. (Internationale Arbeiten zur Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser, Bd. 7). Hamburg 1989.