Aktionsforschung
Wer wissenschaftlich
arbeitet, kann üblicherweise eine wissenschaftliche Ausbildung
nachweisen, zum Beispiel den Studienabschluß an einer
Universität. Normalerweise gehören Wissenschaft und Forschung
zusammen; das heißt, es sind in der Regel Wissenschaftler/innen
(und damit außenstehende Personen), die ein bestimmtes
"Feld" (einen bestimmten Bereich) untersuchen und dort
forschen.
Vor allem die
französische Sichtweise von Aktionsforschung (recherche-action)
unterscheidet sich von diesem Ansatz. Sie geht wie die
englischsprachige Aktionsforschung davon aus, daß die Personen,
die in einem bestimmten "Feld" arbeiten, dieses
Praxisfeld auch selber erforschen. Der Anstoß für ein
Forschungsprojekt in einem bestimmten Bereich geht also nicht von
der Wissenschaft aus und ihrem Ziel, ein bestimmtes Feld zu
"be-forschen", sondern von jenen Personen, die in
diesem Feld leben und arbeiten. Damit werden diese Personen auch
nicht zu Objekten der Forschung, sondern sie werden zu
Forscherinnen und Forschern.
Auslöser für
ein Aktionsforschungsprojekt ist häufig ein konkreter
Anlaß, etwa eine besonders erfolgversprechende Idee oder die
allgemeine Unzufriedenheit mit der konkreten Alltagssituation in
einem bestimmten Tätigkeitsbereich. Meist soll ein solches
Forschungsprojekt dazu führen, die Ausgangssituation für die
Betroffenen zu verbessern.
Grundlage der
Aktionsforschung sind amerikanische Ansätze der
sogenannten Feldforschung (action research), die in die frühen
30er Jahre zurückreichen und bei denen es vor
allem um die Lösung sozialer Konflikte in Gruppen ging.
Eine solche
"Praxisforschung" ist nach unserer
Meinung möglicherweise eine Perspektive für gehörlose oder
hochgradig schwerhörende Menschen, um sich für das Berufsfeld
Wissenschaft und Forschung zu qualifizieren.
Ein Weg dorthin könnte
auch der Universitätslehrgang für Projektentwicklung
und -begleitung "Praxeologie" an der Universität
Klagenfurt sein, der eine relativ individuell begleitete
Studienmöglichkeit darstellt.
Im Rahmen eines ähnlich
organisierten Lehrganges am Institut für Projektbezogene
Studiengänge Linz (in Kooperation mit der Université des
Sciences Humaines Strasbourg) ist von Maria Kölblinger,
schwerhörend, 1991 eine Diplomarbeit mit dem
Titel "Wege der Identitätsfindung für Schwerhörende.
Darstellung und Analyse der Situation der Schwerhörenden in
Österreich" vorgelegt worden. Auf diese Arbeit geht die
Bezeichnung "schwerhörend" (anstelle
von schwerhörig) zurück, die wir hier übernommen haben.
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