Gehörlose
Menschen in unserer Gesellschaft
Gehörlose Personen haben nicht nur eine eigene besondere
Sprache, sie haben auch eine besondere Stellung in unserer
Gesellschaft. Sie sind Außenseiter/innen in der Welt der
Hörenden, aber auch Außenseiter/innen in der Gruppe der
Behinderten, wenn man sie zu dieser zählen wollte; und sie sind
die einzigen Mitglieder unserer Gesellschaft, denen jegliche
Kommunikation über das Ohr verwehrt ist. Zugleich aber haben
Gehörlose wie alle Menschen das Bedürfnis, zu einer Gruppe zu
gehören, in der sie sich verstanden fühlen, in der die
Einzelpersonen durch Kultur und Sprache miteinander verbunden sind. In
den Familien, in die sie hineingeboren wurden, kann dieses
Bedürfnis nicht immer gestillt werden.
Gehörlose
Menschen leben meist vereinzelt in hörenden
Familien - nur ein kleiner Teil der gehörlosen Kinder hat
gehörlose Eltern und damit von klein auf verschiedene gehörlose
Bezugspersonen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Gehörlosengemeinschaft (die als
Gebärdensprachgemeinschaft zugleich eine
Minderheitensprachgemeinschaft ist) eine besondere
Bedeutung für ihre Mitglieder und dadurch einen starken
Einfluß auf die Herausbildung der individuellen wie
kollektiven Identität der einzelnen gehörlosen Personen hat.
Für Hörende ist es äußerst schwierig, diese Tatsache und ihre
Konsequenzen zu tolerieren und auch zu akzeptieren. Vor allem
hörende Eltern eines gehörlosen Kindes haben davor oft große
Angst. Nicht selten versuchen sie daher, ihr Kind von anderen
Gehörlosen und der Gehörlosengemeinschaft fernzuhalten.
Dennoch
kann ein Prozeß der gegenseitigen Akzeptanz und Anerkennung nur
durch gemeinsames Bemühen von Mitgliedern beider Kulturen, von
Hörenden und Gehörlosen, gelingen. Von beiden Seiten
sollten Eltern eines gehörlosen Kindes - im Interesse dieses
Kindes - Hilfe und Unterstützung erhalten.
Wichtig in
diesem Zusammenhang scheint uns die Weitergabe von
Informationen über die Gehörlosenkultur und ein gemeinsames
Bemühen um die Anerkennung der Gebärdensprache.
Toleranz und Offenheit ist nicht nur von den
hörenden Eltern gehörloser Eltern gefordert, sondern auch von
gehörlosen Menschen zum Beispiel hörenden Kindern gehörloser
Eltern oder anderen Gehörlosen gegenüber - etwa solchen, die
rein lautsprachlich erzogen wurden und damit gut zurechtkommen
oder die erst nach dem Spracherwerb ertaubt sind. Die
Verflochtenheit all dieser gesellschaftlichen Kategorien werden
sehr eindrucksvoll in dem Buch "Eine Kultur bringt sich zur
Sprache" (1991) aufgezeigt; dieses Buch ist äußerst
spannend zu lesen und beschreibt die Situation gehörloser
Menschen aus ihrer eigenen Sicht.
Daher
sollten auch hier weitere Texte, die das Leben gehörloser
Menschen in der Gesellschaft beschreiben, von gehörlosen
Autorinnen und Autoren geschrieben werden - es steht schon zu
viel "über Gehörlose" auf unseren Seiten. Wenn
Sie dazu etwas beitragen möchten, setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Wir freuen uns über
Ihren Beitrag!
Literaturangabe:
Padden,
Carol / Humphries, Tom (1991): Eine Kultur
bringt sich zur Sprache. Hamburg.
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