Beschreibung
der Gebärdensprachen
(Linguistik/Sprachwissenschaft)
Die Beschreibung und Erforschung der Gebärdensprachen gehört zu den Aufgaben der
Linguistik oder Sprachwissenschaft. Untersucht werden vor allem
Struktur und Regeln (Grammatik) der jeweiligen Gebärdensprache.
Gehörlose Forscher/innen arbeiten bei der Untersuchung der
Gebärdensprachen mit; sie liefern das notwendige Sprachmaterial
und verweisen auf den kulturellen Hintergrund. Einige der
wichtigsten Arbeiten zur Gebärdensprachforschung in den letzten
zehn Jahren stammen von gehörlosen Linguistinnen und Linguisten.
Bis zu den späten
sechziger Jahren sahen die meisten Sprachforscher/innen die
Gebärden der Gehörlosen als eine Sammlung von Gesten ohne
Grammatik und mit einfachen Inhalten, vergleichbar mit der
Pantomime. Gebärdensprache ist jedoch nicht
gleich Pantomime. Das sieht man
am besten daran, daß Hörende pantomimische Geschichten ohne
Probleme verstehen können, während die gleiche Geschichte in
Gebärdensprache oft nicht verstanden wird.
Zu Beginn der Gebärdensprachforschung untersuchte die
Sprachwissenschaft hauptsächlich, wie die Hände beim Gebärden
eingesetzt werden (manueller Teil). Erst später
erkannte man, daß auch Gesicht, Kopf und Körperhaltung (nicht
manuelle Elemente) wichtige grammatische Aufgaben erfüllen.
Bis heute sind diese nicht manuellen Elemente noch immer weniger
erforscht als der manuelle Teil der Gebärde.
Gebärdensprachen
besitzen eine eigene Grammatik. Wie Wörter in
Lautsprachen werden auch Gebärden nach bestimmten Regeln
gebildet und miteinander zu Sätzen verbunden. Die
Verwendung des Raums spielt dabei eine
wichtige Rolle.
Ein nach wie vor nicht für alle
zufriedenstellend gelöstes Problem ist die schriftliche Aufzeichnung von
Gebärdensprachen, die für die
wissenschaftliche Erforschung notwendig ist. Zu
diesem Zweck wurden verschiedene Schriftsysteme entwickelt, die in den
unterschiedlichsten Aufgabengebieten eingesetzt werden.
Pantomime:
Zwischen der Pantomime
und der Gebärdensprache gibt es zwei bedeutende Unterschiede:
- In der
Pantomime kann sich die Person durch den ganzen
Raum bewegen.
In der Gebärdensprache bleibt die
Person meist an einer Stelle stehen oder sitzen und
bewegt nur ihre Hände und den Oberkörper
- In der
Pantomime steht der Körper meist für sich
selbst. Der Fuß steht für einen Fuß, die Hand für
eine Hand, und so weiter.
In der Gebärdensprache hingegen
drücken die Körperteile (vor allem die Hände)
unterschiedliche Inhalte aus. So können die Hände auch
Füße, ja sogar ganze Personen oder Objekte darstellen.
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Gebärdensprachforschung:
William C.
Stokoe ist ein Sprachwissenschaftler an der Gallaudet
Universität in Washington D.C. (USA), der einzigen Universität
der Welt für Gehörlose. Er war einer der ersten, der die
Gebärden der Gehörlosen sprachwissenschaftlich untersuchte.
Kurz nach Stokoe begann Ursula
Bellugi mit ihren Forschungen. Bellugi und ihr Ehemann Edward
Klima stellten zu ihrer eigenen Überraschung fest, daß
die Amerikanische Gebärdensprache (American Sign Language/ASL)
über zahlreiche und komplexe grammatische Strukturen verfügt.
Die Erforschung der
Gebärdensprachen verbreitete sich, ausgehend von den Vereinigten
Staaten von Amerika, auf die ganze Welt. In Europa
spielten die skandinavischen Länder eine Vorreiterrolle; bald
folgten andere europäische Länder dem skandinavischen Vorbild.
In manchen Ländern - zum Beispiel auch in Österreich
- hat die Gebärdensprachforschung erst in den 90er-Jahren
begonnen.
Forschungszentren
in Österreich:
Universität Graz
Universität Klagenfurt /
Gebärdensprachdatenbank
Gehörlosenambulanz
Linz
Forschungszentren
in Europa:
Universität Hamburg, D
Universität Lyon, F
Universität Bristol, GB
Universität Durham, GB
Universität Essex, GB
Universität
Wolverhampton, GB
Universität Leiden, NL
Universität Stockholm, S
Forschungszentren
weltweit:
(wird ergänzt - bitte inzwischen auf Hamburg oder
Leiden ausweichen)
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Gebärdenraum:
Anders als
bei der Pantomime werden Gebärden in einem begrenzten
Raum gebildet. Dieser Raum wird als
"Gebärdenraum" bezeichnet.
So wie
Wörter auf verschiedene Art und Weise ausgesprochen werden
können, können auch Gebärden "geflüstert" werden,
indem sie kleiner (und tiefer angesetzt) als üblich im
Gebärdenraum produziert werden. In Gebärden kann man auch "schreien",
sie werden dafür größer und außerhalb des üblichen
Gebärdenraums gebildet.
Während
eine Person gebärdet, sieht die Gesprächspartnerin oder der
Gesprächspartner dieser Person ins Gesicht. Deshalb ist das Gesichtsfeld
auch jener Bereich des Gebärdenraums, in welchem Einzelheiten
der Gebärden gut erkannt werden können.
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Schriftliche Aufzeichnung von
Gebärdensprachen:
Für die
Forschung müssen Gebärdensprachen schriftlich festgehalten
werden. Eine einfache und häufig verwendete Möglichkeit ist die
schriftliche Darstellung der Gebärden durch
lautsprachliche Wörter (Übersetzungen).
Solche Ausdrücke werden üblicherweise als Glossen
bezeichnet und in Großbuchstaben notiert.
Die Glosse bezieht sich nur auf den manuellen Anteil einer
Gebärde, jenen Teil also, der mit einer oder beiden Händen
gebildet wird; die mimisch-gestischen Anteile und Mundbilder
werden oberhalb der Glosse wiedergegeben. Diese Schreibweise
zeigt bildhaft die Gleichzeitigkeit der manuellen und
nichtmanuellen
Kopfschütteln |
nichtmanueller
Anteil der Gebärde |
VERSTEHEN |
Glosse,
manueller Anteil der Gebärde |
Dieser gebärdensprachliche Satz,
der nur aus einer Gebärde und einer nicht manuellen Verneinung
besteht, sagt aus, daß etwas nicht verstanden wird.
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Schriftsysteme:
Für
Gebärdensprachen sind mehrere Schriftsysteme entwickelt worden,
einerseits für die Forschung, damit man
Gebärden genau in ihren manuellen und nicht manuellen Elementen
beschreiben kann.
Für
praktische Zwecke (zum Beispiel im Rahmen des
Gebärdensprachunterrichts) können sich Personen, die die
Gebärdensprache erlernen, neue Gebärden notieren und sie dann
zu Hause leichter wiederholen (Verschriftung von
Gebärdensprachen).
Für
Wörterbücher können solche Schriftsysteme langwierige
schriftliche Beschreibungen, wie eine Gebärde gebildet wird
(sogenannte Ausführungsbeschreibungen), ersetzen.
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